Wo einst die kämpferischen Mani das Sagen hatten
Auf der Mani Halbinsel weichen weiß getünchte Häuser den grauen, teils hohen Steintürmen.
Wir rollen wieder einmal südwärts und befinden uns auf einmal in einem völlig anderen Griechenland. Diesmal soll der südlichste Finger des Peloponnes, die Mani Halbinsel, erkundet werden. Die sanft geschwungenen Sandstrände weichen schroffen Klippen, die weiß getünchten Häuser verschwinden und stattdessen erspähen wir teils hohe Steintürme, die über die karge Gegend verstreut liegen.
Das Gebiet war lange Zeit fest in den Händen der kämpferischen Mani, die ihre Unabhängigkeit im unwegsamen Rückzugsgebiet eisern behaupteten. Aufgrund dieser Isolation konnte sich eine unabhängige Kultur frei von staatlichen Eingriffen entwickeln. Die wilden, unberechenbaren Manioten waren untereinander zerstritten, lieferten sich blutige Familienfehden und bauten majestätische Wohn- und Wehrtürme. Von den früheren Grausamkeiten ist heute nichts mehr zu spüren. Was geblieben ist, sind eindrückliche geschichtliche und architektonische Zeugen, ein stolzes Volk und ein Wohnmobil-Paradies.
Wir staunen über die skurrilen Tropfstein-Gebilde der Diros-Höhlen.
Wir streifen durch die Gassen der Steinhäuser, die erhaben auf den Felsen kleben, erkunden bei Pyrgos Tirou die eindrücklichen Diros-Seehöhlen mit skurrilen Tropfstein-Formen und begeben uns zu Fuß ans Südkap Kap Tenaro. Dieses erinnert mit der stark zerklüfteten, baumlosen Küste an Irland und lässt das Gefühl aufkommen, wir hätten das Ende der Welt erreicht.
Das Kap Tenaro erinnert mit seiner stark zerklüfteten, baumlosen Küste an Irland.
Auf dem Weg nach Kalamata erreicht uns nun das, was wir ja eigentlich schon seit längerem erwartet haben. Nach dem obligaten Bad im Meer schlüpfen wir am Abend in unser Womo-Bett und werden Mitten in der Nacht von starken Windböen und peitschendem Regen wachgerüttelt. Die Temperaturen sinken auf einmal drastisch und am nächsten Morgen weht uns ein eisiger Nordwind um die Ohren. Beim Blick in die Berge stockt uns der Atem: Wo wir eben noch im T-Shirt den höchsten Gipfel erklommen haben, hat sich nun eine dicke Schneedecke hingelegt die weit zur Küste hinunter reicht. Zum Glück haben sich die dunklen Wolken bereits wieder verzogen und machen der Sonne Platz. Es dauert schließlich nur zwei Tage bis sich auch der frostige Wind wieder legt und bald einmal spielen wir wieder mit dem Gedanken, in die Fluten des Meeres zu springen. Das war also der Kurzbesuch des griechischen Winters!
Die Hafenstadt Methoni wartet mit einer eindrücklichen Festung auf.
Nicht der kurze Wintereinbruch, doch eher die Zeit die uns etwas drängt, bringt uns zur Entscheidung, den westlichsten Finger Messeniens etwas abzukürzen und dann langsam den Weg in Richtung Patras der Westküste entlang in Angriff zu nehmen. So fahren wir auf direkter Strecke über Land zur Hafenstadt Methoni, wo wir eine eindrückliche Festung besichtigen. Die Anlage liegt imposant auf einem weit ins Meer hinausragenden Felsen und die stürmische See bietet heute die perfekte Kulisse mit meterhohen Wellen, die tosend an den Festungsmauern brechen und Gischt in den Himmel schicken.
Nach kurzer Weiterfahrt stoppen wir in der Nähe von Pylos bei einer ausgedehnten Sumpflandschaft um einen Morgenspaziergang durch das Vogelparadies zu machen. Tatsächlich sehen wir unzählige Zugvögel, die hier an der Wärme die Wintermonate verbringen. Rein zufällig erspähen wir etwas hell Schimmerndes durch das Dickicht. War das nicht ein goldener Sandstrand?
Beeindruckende Sumpflandschaft bei der Navarino Bucht.
Wir ziehen in Richtung Meer und siehe da: Vor uns breitet sich ein perfekt sichelförmiger Strand aus, der gegen Westen von einer geschützten Meeresbucht und gegen Osten von einem großen Sumpfsee eingerahmt wird. Wir sind auf die Navarino Bucht gestoßen und graben unsere Füße beim Strandwandern in den warmen, pudrig-feinen Sand ein. Dies ist unserer Meinung nach einer der schönsten Strände auf Peloponnes und ihn für uns alleine genießen zu können macht alles noch wunderbarer. Die Gegend zieht uns weiter in ihren Bann und wir stillen unseren Entdeckergeist mit einer kleinen Wanderung auf den Felsberg, der an der Bucht liegt. Wir haben von einer Höhle gelesen und treffen tatsächlich auf die Nestor Höhle, die uns mit ihrer Größe beeindruckt. Nicht nur der Höhle wegen lohnt sich der schweißtreibende Aufstieg, auch ist die Aussicht auf den Traumstrand und die Sumpflandschaft sehr lohnenswert.
In perfekter Sichelform liegt die Navarino Bucht vor uns!
Die antike und unsere persönliche Ausgrabung
Nach so viel Natur ist es wieder einmal Zeit für ein bisschen Kultur. Praktisch auf unserer Route in Richtung Norden liegt die antike Stätte Messini.
Die Ithomi-Ausgrabung ist erst kürzlich erneuert und erweitert worden und bietet eine vorbildliche Infrastruktur. Wir staunen einmal mehr, dass wir auch für diese Ausgrabungsstätte keinen Eintritt bezahlen müssen. Viele historische Orte werden vom Staat finanziert und damit auch die Angestellten, die lediglich die Aufgabe haben, in ihren Häuschen zu sitzen und einen Blick auf die Besucher zu werfen. Sieht man solche Szenen wundert es wenig, dass Griechenlands Staatskasse leer ist. Die geschichtlichen Zeugen sind dafür umso faszinierender und der Abstecher nach Messini lohnt sich sehr – auch wegen der schönen Wanderung auf den Berg oberhalb des Dorfes, welcher das Kloster Panaghias beheimatet und Geburtsort von Zeus gewesen sein soll. Bei der Weiterfahrt legen wir einen Zwischenstopp bei der Pilgerstätte der Agia Theodora Kirche ein. Die schmucke Kirche ist ein kleines, mysteriöses Wunder: Aus ihrem Dach und ihren Wänden wachsen mehrere Bäume, ohne die Mauern zu sprengen. Der Ort gilt als höchst heilig und zieht jährlich eine halbe Million Besucher an. Einheimische legen Zettel mit Wünschen in der Kirche nieder. Von Messini’s Baukunst angetan peilen wir eine weitere Ausgrabung an: Olympia.
Olympia war der Austragungsort der Olympischen Spiele der Antike.
Die wohl bedeutendste Kulturstätte auf Peloponnes darf man sich auf keinen Fall entgehen lassen, wenn auch der riesige Zeustempel und zahlreiche pompöse Anlagen im 6. Jahrhundert durch ein starkes Erdbeben dem Erdboden gleichgemacht wurden. Wir staunen immer wieder von Neuem, was die alten Griechen alles auf die Beine gestellt und welche architektonischen Meisterleistungen sie vollbracht haben.
Für uns war das kleine Pinienwäldchen in der Nähe eines schönen Sandstrandes das perfekte Übernachtungsplätzchen- wäre da nicht …
Die nächste „Ausgrabung“ ist dann wohl weniger eine Meisterleistung: Wir stehen in der Nähe eines schönen Strandes in einem Pinienwäldchen. Eigentlich ein perfektes Übernachtungsplätzchen … wäre da nicht der sandige Boden, den man unter den Piniennadeln nicht gleich erkennt. Wir spüren ihn aber bald einmal, als wir am Morgen den Ort verlassen möchten. Unser Camper macht keinen Wank und wühlt sich immer tiefer in den Sand. Da sitzen wir also im Sand fest und weit und breit keine Menschenseele in Sicht. Was soll‘s, wir sind ja im Land der Ausgrabungen, sagen wir uns und machen dann gleich auch selbst eine! Zum Glück findet man an Griechenlands Stränden im Winter reichlich Strandgut so dass wir bald einmal ein paar Bretter und ein Bodyboard beisammen haben. Wir unterlegen die Räder und fahren Stück für Stück auf unserer Bodyboard-Bretter-Bahn zur Falle raus. Nach etwa einer Stunde, ein paar Fluchern und Schweissperlen können wir dann unser Womo jubelnd auf Asphalt fahren. Ausgrabung gelungen!
Unsere Peloponnes-Umrundung neigt sich langsam dem Ende zu und wir möchten die letzten Tage noch einmal so richtig mit Sonne, Strand und Meer genießen, bevor wir in Patras auf die Fähre rollen werden. Die Temperaturen laden dazu ein und die Nordwest-Ecke der Halbinsel auch. Über den großen Pinios Stausee, der in einer lieblichen, trockenen Hügellandschaft eingebettet liegt, erreichen wir die alten Pinienwälder bei Loutra Kounopelli.
Eingebettet in einer lieblichen, trockenen Hügellandschaft liegt der Pinios Stausee.
Weitab der Zivilisation können wir eine malerische Bucht für uns alleine genießen – oder besser gesagt fast für uns alleine. Neben uns steht nämlich noch ein anderes Wohnmobil mit Schweizer Nummernschild. Wir kommen mit unserem Nachbarn ins Gespräch und er erzählt uns, er sei schon seit 8 Jahren mit seinem Wohnmobil unterwegs und verbringe immer mal wieder einen Winter an diesem Plätzchen. Wir werden zum Nachtessen eingeladen und genießen ein Käse-Fondue am Strand.
Etwas weiter nördlich gelegen bietet der einsamer Landstrich von Kalogria wunderschöne, archaische Pinienwälder und ausgedehnte Strände für ein letztes Winterbad im Mittelmeer. Es ist inzwischen Heiligabend und die Gedanken an Schnee und Kälte sind weit weg – so auch die Vorstellung von Weihnachtsbäumen und Festtagen. Aber ein Dezember-Schwimmen im Meer scheint uns als schönstes Geschenk, das wir uns im Moment vorstellen können.
Zufrieden durchschwimmen wir die Bucht mit Sicht auf unser einsam dastehendes Wohnmobil und schweifen in Gedanken zurück auf die letzten Wochen in Griechenland. Irgendwann wird die Wassertemperatur dann aber doch etwas kühl und wir legen uns in den wärmenden Sand. Vielleicht ist es eben doch der richtige Moment, um langsam aber sicher die Heimreise anzutreten.